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Das Grossverbrauchermodell im Kanton Aargau ist weiter auf Erfolgskurs: Gastbeitrag Omar Ateya, Fachspezialist Energiewirtschaft Kanton AG

Mit der Revision des Energiegesetzes des Kantons Aargau wurde 2012 der Grossverbraucherartikel des Bundes umgesetzt und eine kantonale Rechtsgrundlage geschaffen. Aktuell setzen fast 450 einzelne Unternehmen das Grossverbrauchermodell um. Weitere circa 60, die grossmehrheitlich 2017 in einer Neuerhebung erfasst wurden, befinden sich noch im Prozess der Erarbeitung eines solchen. Mit den Massnahmen tragen die Unternehmen massgeblich zur Reduktion des Energiebezugs und geringeren CO2-Emissionen bei. Die Grossverbraucher sparen aber nicht nur einfach Energie, sondern profitieren auch wirtschaftlich. Denn diese Effizienzsteigerungen sind finanziell attraktiv.

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Jedes Jahr sparen Grossverbraucher den Energiebedarf einer kleineren Stadt mit über 16'500 Einwohnern ein

Die aktuellsten Zahlen zum Grossverbrauchermodell im Kanton Aargau lesen sich vielversprechend. Im Jahr 2019 haben die Grossverbraucher Einsparungen im Energiebereich von mindestens 290 GWh erzielt und die CO2-Emissionen um über 45'000 Tonnen reduziert. Zieht man den durchschnittlichen Pro-Kopf Endenergiebedarf in der Schweiz von ca. 17'540 kWh pro Jahr zu Hilfe, so kommt man auf eine imposante Zahl: Jedes Jahr sparen die gut 450 umsetzenden Grossverbraucher den Energiebedarf einer kleineren Schweizer Stadt mit über 16'500 Einwohnern ein! Das entspricht mehr als der Gemeinde Wohlen, oder etwas weniger als der Stadt Baden.

Jedes Jahr sparen Grossverbraucher den Energiebedarf einer kleineren Stadt mit über 16'500 Einwohnern ein

Bildquelle: Wikipedia

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Grossverbraucher profitieren auch wirtschaftlich

Die Grossverbraucher sparen aber nicht nur einfach Energie, sondern profitieren auch wirtschaftlich. Denn diese Effizienzsteigerungen sind finanziell attraktiv. Zum einen sind die meisten umgesetzten Massnahmen innerhalb von 3 bis 5 Jahren amortisiert, zum anderen lassen sich die eingesparten Kosten im Unternehmen reinvestieren und stärken somit die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

2018 führte der Kanton eine Stichprobenkontrolle bei Unternehmen durch, welche eine Energieverbrauchsanalyse (EVA) abgeschlossen hatten (siehe hierzu umweltAARGAU Nr. 80 vom Mai 2019). Beispielhaft für viele Unternehmen kann hier die Romay AG aus Oberkulm erwähnt werden. Romay entwickelt, produziert und verarbeitet anspruchsvolle, kundenspezifische Komponenten und Verkleidungssysteme aus Kunststoff. Das Unternehmen stellt mit seinen 250 Mitarbeitenden von der Duschwanne über Sammelbehälter bis hin zu der Innenverkleidung von Zügen wie dem Stadler Flirt die unterschiedlichsten Produkte her. Dabei steht das Unternehmen im harten internationalen Wettbewerb und ist umso mehr auf Effizienz und Qualität angewiesen.

Mit der Erarbeitung der EVA plante man eine Effizienzsteigerung von etwa 16 Prozent. Zu erreichen beispielsweise über den Beleuchtungsersatz mit LED, der Abwärmenutzung aus der Kälte- und Druckluftanlage aber auch über Betriebsoptimierungen. Aus verschiedenen Gründen konnten nicht alle ursprünglich geplanten Massnahmen umgesetzt werden. Die anvisierte Effizienzsteigerung konnte jedoch mit neuen, bedeutenden Ersatzmassnahmen mehr als wettgemacht werden. Diese Massnahmen wurden unter anderem im Rahmen von betrieblichen Anpassungen und Optimierungen erarbeitet und umgesetzt. Beispielsweise mit dem Umbau der Produktionsanlagen (Amortisation 2 Jahre), dem Ersatz von Kompressoren (Amortisation 2,5 Jahre) und Gebäudeisolationen (Amortisation 3,5 Jahre). Schliesslich übertraf die Romay AG die Ziele der EVA mit einer gesamthaften Effizienzsteigerung von über 30 Prozent. Das, ohne deren Wettbewerbsfähigkeit oder betriebliche Sicherheit zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Mit den umgesetzten Massnahmen spart die Romay AG über 2'600'000 kWh Strom (etwa 250'000 Franken) ein. Das entspricht dem durchschnittlichen jährlichen Stromverbrauch von fast 580 4-Personen-Haushalten.

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Widerstand und Skepsis der Unternehmen waren anfangs spürbar

Die ersten Kantone, welche den Grossverbraucherartikel von 2004 in ihr Gesetz übernahmen und in Kraft setzten waren Zürich (2005) und Neuenburg (2006). Der Kanton Aargau folgte im Jahr 2012 und hat bereits eine zweite Erfassungsrunde hinter sich. Der Widerstand und die Skepsis der Unternehmen gegenüber dieser Bestimmung waren anfangs teilweise spürbar. Die Ergebnisse aus der bisherigen Umsetzung zeigen aber, dass das Grossverbrauchermodell mittlerweile gut akzeptiert ist und beständig angewendet wird. Das zeigt sich vor allem darin, dass die Grossverbraucher ihre gesteckten Effizienz- und Emissionsreduktionsziele in der Regel übertreffen – zum Teil markant. Zudem wurden viele Unternehmen weiter sensibilisiert oder dazu motiviert, sich noch vertiefter mit Energiethemen im Betrieb auseinanderzusetzen. Das führt vermutlich langfristig zu einer grösseren Einsparwirkung als die Umsetzung der Massnahmen selber. Nicht zu vergessen ist ebenfalls die Reduktion der Betriebskosten. Mittlerweile ist der überwiegende Teil der Unternehmen aktiv an der Umsetzung des Grossverbraucherartikels. Die noch ausstehenden Unternehmen haben begründete Fristerstreckungen erhalten. Rund 60 grossmehrheitlich im Jahr 2017 neu erfasste Unternehmen stehen in der Erarbeitung eines Umsetzungsmodells.

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Modelle

Im Folgenden werden die im Kanton Aargau genutzten Modelle zur Umsetzung des Grossverbraucherparagrafen gegenübergestellt.

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Energieverbrauchsanalyse (EVA)

Universalzielvereinbarung (UZV)

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Für die umzusetzenden Massnahmen gelten die folgenden drei Grundsätze.

  1. Wirtschaftlich tragbar: Innerhalb von maximal 4 Jahren (Prozesse/Anlagen) oder 8 Jahren (Infrastruktur/Immobilien) amortisiert
  2. Technisch machbar
  3. Keine massgeblichen betrieblichen Nachteile
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Ich habe bereits viel investiert und bin effizient unterwegs. War das alles umsonst?

Nein. Bereits geleistete Investitionen mit Auswirkungen auf die Energieeffizienz der vorangegangenen 5 Jahre werden berücksichtigt. 

Das Grossverbrauchermodell verursacht nur finanziellen und zeitlichen Aufwand.

Die Kosten amortisieren sich meist innerhalb von 4 Jahren. Das beinhaltet sowohl die Erarbeitung eines Grossverbrauchermodells wie auch die Massnahmen selber. Ein bedeutender Teil der Massnahmen hat Amortisationszeiten von unter 2 Jahren. Der vorhandene Aufwand seitens des Unternehmens zahlt sich rasch aus.

Ich bin bereits effizient unterwegs - in meinem Unternehmen ist nichts mehr zu holen.

Die Erfahrungen zeigen, dass in der Regel immer Effizienzmassnahmen gefunden werden können, selbst bei Neubauten. Zum Beispiel sind Betriebsoptimierungen oder Mitarbeiterschulungen zwei einfache Massnahmen, mit denen oftmals bedeutende Effizienzsteigerungen erreicht werden. Des Weiteren hilft in vielen Fällen eine unabhängige dritte Sicht, Potenziale zu entdecken, welche im Betrieb aus den unterschiedlichsten Gründen brach lagen.

Muss ich das wirklich machen?

Mit der Annahme des Energiegesetzes auf Bundes- und Kantonsebene besteht die Pflicht, als Grossverbraucher ein Grossverbrauchermodell zu wählen und Massnahmen umzusetzen.

Kann mein Unternehmen noch wachsen (sprich mehr Energie brauchen), wenn ich in einem Modell drin bin?

Selbstverständlich. Der Sinn des Grossverbrauchermodells ist die Steigerung der Energieeffizienz im Betrieb bzw. der Infrastruktur und nicht die Reduktion des Energiebezugs an und für sich.

Was für Massnahmen gibt es denn?

Das hängt stark vom Unternehmen ab – in einem Kieswerk sieht das Massnahmenpaket anders aus als in einem Spital oder bei einem Gerätehersteller. Prinzipiell lassen sie sich aber in drei Kategorien einteilen:

  • Infrastrukturelle Massnahmen, wie z.B. Gebäudeisolation
  • Gebäudetechnische Massnahmen, wie z.B. Optimierung der Lüftungsanlage, Einsatz von LED statt Leuchtstoffröhren
  • Prozess- und Anlagemassnahmen, wie z.B. Einsatz effizienter Maschinen, Reduktion der Kühlleistung in Serverräumen
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Sie haben Fragen oder Interesse an einer Beratung?

Für weiterführende Informationen empfehlen wir Ihnen die Webseite zum Grossverbrauchermodell. Gerne können Sie sich bei Fragen und zur Beratung an Omar Ateya, 062 835 28 90, omar.ateya@ag.ch wenden.

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