Fragen und Antworten zum überarbeiteten öffentlichen Beschaffungswesen

Auf Bundesebene wurde das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) überarbeitet und tritt per 1. Januar 2021 in Kraft. Neu fällt die Lieferung von Strom in den sachlichen Anwendungsbereich des öffentlichen Beschaffungsrechts. Das Gesetz will sicherstellen, dass auch bei der Beschaffung von Strom für die grundversorgten Kunden ein Wettbewerb spielt.

14. Dezember 2020

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Auf Bundesebene wurde das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) überarbeitet und tritt per 1. Januar 2021 in Kraft. Gelten die Vorgaben auch für die Energieversorger und Gemeindewerke?

Für Auftraggeber auf kantonaler oder kommunaler Ebene wird das GPA 2012 (Government Procurement Agreement) mit der neuen Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) und mit dem neuen Dekret über das öffentliche Beschaffungswesen (DöB) umgesetzt. Die IVöB tritt in Kraft, sobald ihr 2 Kantone beigetreten sind. Da EVU's und Gemeindewerke Auftraggeber auf kantonaler oder kommunaler Ebene sind, unterstehen sie der IVöB (und nicht der für auf Auftraggeber auf Bundesebene anwendbaren BöB/VöB). Bei EVU's und Gemeindewerken handelt es sich um ausschreibepflichtige Sektorauftraggeber (Betreiber eines Netzes für elektrische Energie und Versorgung dieses Netzes mit elektrischer Energie, Art. 4 Abs. 2 lit. b IVöB).

Was ändert sich mit der Anpassung des Gesetzes?

Neu fällt die Lieferung von Strom in den sachlichen Anwendungsbereich des öffentlichen Beschaffungsrechts. Das Gesetz will sicherstellen, dass auch bei der Beschaffung von Strom für die grundversorgte Kunden ein Wettbewerb spielt.

Was muss demnach bei der Beschaffung von Energie neu beachtet werden?

Für die Abklärung betreffend Anwendbarkeit des öffentlichen Beschaffungsrechts ist zentral, ob unter den Stromanbietern oder den Verteilnetzbetreibern ein Wettbewerb herrscht (wie namentlich auf dem freien Markt oder an der Börse). Somit ist die entscheidende Frage, für welche Endverbraucher der Strom beschafft wird: Endkunden mit freiem Netzzugang (auf dem freien Markt) können ihren Anbieter frei wählen, weshalb die Stromanbieter untereinander bereits in einem Wettbewerb stehen und für einen gerechten Marktpreis sorgen. Der Kauf von Strom zwecks Weiterverkauf an freie Endverbraucher untersteht daher nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht. Endkunden in der Grundversorgung unterliegen neu der IVöB, da ein Grossteil der Endverbraucher im Versorgungsmarkt (mit einem Jahresverbrauch unter 100 MWh) heute noch gebunden ist, also hier kein wirksamer Wettbewerb herrscht. Grundsätzlich unterliegt somit nur die Beschaffung desjenigen Stroms dem öffentlichen Beschaffungsrecht, der für die grundversorgten Endverbraucher vorgesehen ist.

Wie ist das zu verstehen, muss ein Energieversorger nun den Strom für seine grundversorgten Endkunden öffentlich ausschreiben?

Aufgrund der Ausführungen in der Musterbotschaft und in der Botschaft zum BöB ist davon auszugehen, dass die Strombeschaffung in der Grundversorgung öffentlich auszuschreiben ist, sofern keine der statuierten Ausnahmetatbestände zur Anwendung gelangt.

Welche Geschäfte sind demnach von der Ausschreibungspflicht befreit?

Bei der Strombeschaffung über externe Unternehmen ist für die Anwendbarkeit des öffentlichen Beschaffungsrechts zentral, ob der Strom unter Wettbewerbsbedingungen beschafft wird bzw. ob der Wert des Einzelauftrages den Betrag von Fr. 150'000.- übersteigt. Das öffentliche Beschaffungsrecht kommt nicht zur Anwendung, wenn dank unbeschränkt möglicher Anbieteranzahl der Wettbewerb spielt. Dies ist zum einen bei OTC-Ausschreibungen (Over the Counter) erfüllt, wie auch die Ausschreibung auf einer Plattform, bei welcher mehrere Lieferanten Angebote einreichen können.

Wenn ich bei der AEW für meine grundversorgten Kunden Strom beschafft habe, muss ich künftig eine Ausschreibung machen?

Nein. Die AEW hat ihre Stromprodukte auf die Rechtmässigkeit mit dem (revidierten) öffentlichen Beschaffungsrecht überprüft. Die AEW beschafft den Strom für die Marktprodukte via OTC-Ausschreibung oder Plattformen. Beide Arten der Beschaffung erfüllen die Bedingungen an einen Wettbewerb, bei welchem mehrere Lieferanten Angebote einreichen können. Dank der unbeschränkt möglichen Anbieteranzahl spielt der Wettbewerb, weshalb die Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungsrechts nicht zur Anwendung gelangen. Die Strombeschaffung der AEW entspricht somit den revidierten beschaffungsrechtlichen Bestimmungen.

 

Die vorliegenden Aussagen sind lediglich genereller Natur und umfassen keine juristisch Einzelfallbetrachtung. Vorbehalten bleiben allfällige Anpassungen in Folge neuer Rechtsprechung, welche die oben gemachten Aussagen allenfalls relativieren könnten. Die AEW schliesst jegliche Haftung im Zusammenhang mit den vorgenannten Ausführungen aus.