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Keine Angst vor der Dunkelheit

Beinahe wären die Lichter ausgegangen: Anfang Januar 2021 entging Europa knapp einem flächendeckenden Blackout. In der Schweiz war davon kaum etwas zu spüren. Damit das so bleibt, braucht es mehr Selbstversorgung und einen Plan für die Zukunft.

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Das ganze Drumherum

Experten sprachen von der schwersten Störung im europäischen Stromnetz seit mehr als 14 Jahren. Durch einen plötzlichen Spannungsabfall kam es zu massiven Schwankungen im europäischen Übertragungsnetz. Mehrere südosteuropäische Länder – von der Türkei bis Kroatien – wurden wegen des Zwischenfalls vorübergehend vom Netz getrennt. In Frankreich und Italien mussten Grossverbraucher ihren Stromverbrauch drosseln, um das Netz wieder zu stabilisieren. Mit Erfolg: Im Verlauf des Tages konnte das Problem behoben werden und schon bald lief alles wieder wie gewohnt. Glück gehabt.

Gravierende Folgen

Die Angst vor einem grossflächigen Stromausfall bleibt. Elektrizität gehört zu den unentbehrlichen Gütern unserer Zeit: Kommunikation, Verkehr oder Gesundheitsversorgung – nichts geht mehr ohne Strom. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden eines längeren Stromausfalls wären gravierend. In der Schweiz sind die Netzbetreiber deshalb verpflichtet, der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) jährlich Rechenschaft über die Qualität der Stromversorgung zu geben.

Schaltzentrale Schweiz

In ihrem Bericht zur «Stromversorgungsqualität 2020» stellt die ElCom den Schweizer Netzbetreibern insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Das Schweizer Stromnetz gehört zu den sichersten und stabilsten der Welt. Über ein ganzes Jahr gesehen bleibt der Endverbraucher hierzulande während lediglich 21 Minuten ohne Strom. Das hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Dank ihrer geografischen Lage, dem gut ausgebauten Stromnetz sowie der flexibel einsetzbaren Wasserkraft ist die Schweiz eine wichtige Schaltzentrale im europäischen Verbundnetz. Mehr als zehn Prozent der grenzüberschreitenden Stromflüsse in Europa laufen über Schweizer Netzinfrastruktur – so lassen sich Schwankungen leichter abfedern.

Hoffen auf ein Stromabkommen

Allerdings: Ohne Stromabkommen mit der Europäischen Union bleibt die Schweiz vom System der sogenannten Marktkoppelung ausgeschlossen. Das Verfahren sorgt für eine effiziente Nutzung der Netzkapazitäten und verbessert den grenzüberschreitenden Stromaustausch. Fehlt diese Abstimmung, häufen sich unkontrollierte Stromflüsse durch die Schweiz. Die Netzbetreiberin Swissgrid muss in solchen Fällen umgehend intervenieren und Schweizer Strom zur Stabilisierung des Netzes einsetzen. Dazu greift sie meist auf Wasserreserven in den Speicherseen zurück, die dann im Winter für die Versorgung fehlen.

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Übertragungsnetz der Schweiz

Erhöhter Importbedarf im Winter 

Der Bund plant deshalb den Ausbau der Speicherwasserkraft, um Selbstversorgungsgrad und Speicherkapazität weiter zu erhöhen. Durch den geplanten Atomausstieg könnte der Importbedarf im Winter jeweils auf deutlich über zehn Terawattstunden (TWh) steigen, warnt die ElCom. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren hatte die Schweiz pro Winterhalbjahr durchschnittlich jeweils vier TWh importiert. Aus diesem Grund mahnt auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) zu raschem Handeln: «Für die Versorgungssicherheit ist eine angemessene heimische Produktion zentral. Die kritische Grösse ist das Winterhalbjahr. Der Zubau muss daher auf den Winter fokussiert werden. Zudem ist die Nutzung aller erneuerbaren Energien voranzutreiben ». So könnte die Produktion der vier verbleibenden Schweizer Kernkraftwerke (ca. 23 TWh) bis zum Jahr 2050 voll umfänglich durch zusätzliche Wasserkraftproduktion, Photovoltaik-, Windenergie-, Geothermie-, Biomasse-, Abwasser- und Kehrichtverbrennungsanlagen ersetzt werden – ohne Engpässe zu riskieren. 

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