Ein-Preis-Mechanismus ab 2026 – Neue Logik verändert die Verantwortung der Marktteilnehmer
Ab dem 1. Januar 2026 führt Swissgrid einen neuen Ausgleichsenergiemechanismus ein – den Ein-Preis-Mechanismus. Dieser ersetzt das bisherige Zwei-Preismodell und verändert grundlegend die Anreizstruktur im Bilanzausgleich. Neu wird nur noch die Seite sanktioniert, die das Stromnetz destabilisiert – während konformes, netzstützendes Verhalten belohnt wird. Damit reagiert der Übertragungsnetzbetreiber Swissgrid auf die wachsenden Herausforderungen im Stromsystem, insbesondere durch den starken Zubau von Photovoltaik.
Die Schweiz erlebt seit Jahre einen massiven Zubau an Photovoltaikanlagen. Einerseits ist die nachhaltige Stromproduktion sehr erfreulich, andererseits stellt sie Netzbetreiber vor neue Herausforderungen:
- Geringe Prognosegenauigkeit: Während Wasserkraft und Kernkraft gut prognostizierbar sind, gilt dies für Sonnenstrom nicht – da sich Vorhersagen für die Globalstrahlung (und damit die PV-Produktion) stark unterscheiden können.
- Liquidität der Schweizer Märkte: Der letzte liquide Strommarkt (EPEX Spot day-ahead) schliesst bereits um 11:00 Uhr am Vortag. Prognosen in Stundenauflösung können bis zur tatsächlichen Lieferung erhebliche Abweichungen zeigen.
Ein eindrückliches Beispiel dafür war der 22. April 2024: Entgegen der Wetterprognosen kam es zu einem plötzlichen Wintereinbruch mit Schnee bis ins Flachland. Viele Solaranlagen waren zugeschneit, die Produktion fiel auf nahezu null – ein kurzfristiger Ausfall in der Grössenordnung des AKW Leibstadt (1’400 MW) war die Folge .
Um dieser Herausforderung entgegenzuwirken, führt die Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid ab 1. Januar 2026 einen neuen Ausgleichsenergiemechanismus ein – der Ein-Preis-Mechanismus. Mit dem Ein-Preis-Mechanismus soll Anreiz geschaffen werden, mit vorhandenen Flexibilitäten das Gesamtsystem zu stabilisieren und nicht nur die eigene Bilanzgruppe zu optimieren.
Funktionsweise des neuen Ein-Preis-Mechanismus
Das neue Modell soll insbesondere auf folgende Herausforderungen reagieren:
- Gezielte Anreize setzen: Neu wird nur die bilanzgruppenverantwortliche Partei belastet, die das Netz destabilisiert – die andere wird entlastet bzw. belohnt.
- Flexibilität belohnen: Wer über steuerbare Assets verfügt, kann nicht nur die eigene Bilanzgruppe stabilisieren, sondern auch das Gesamtsystem positiv beeinflussen.
Dabei gilt:
- Ohne eigene Flexibilität – etwa durch Speicher oder steuerbare Lasten – drohen Marktteilnehmer mit hohem PV-Anteil auf der «bestrafenden Seite» zu landen.
- Einheitliche Wettermodelle führen zu ähnlichen Prognosefehlern bei vielen Marktteilnehmern – eine Differenzierung erfolgt primär über vorhandene Flexibilitäten.
Auswirkungen auf Marktteilnehmer
- Kostenverteilung verändert sich: Die bisherige kostenmindernde Verschachtelung in grossen Bilanzgruppen (z.B. über einen Beschaffungspool) verliert an Bedeutung, wenn keine Flexibilitäten vorhanden sind.
- Neue Marktchancen für Flexibilitätsanbieter: Auch andere Akteure ausserhalb des aktuellen Systemdienstleistungsmarktes (ca. 15 Teilnehmende) könnten durch netzstützendes Verhalten künftig Einnahmen generieren.
- Steigende Ausgleichsenergiekosten möglich: Da eine Verhaltensänderung nicht garantiert ist und weiterhin PV-Kapazitäten hinzukommen, könnten die Gesamtkosten für Ausgleichsenergie zunächst weiter steigen.
Fazit
Der Ein-Preis-Mechanismus stellt eine bedeutende Weichenstellung im Schweizer Strommarkt dar. Er belohnt systemdienliches Verhalten und bestraft Beiträge zur Netzinstabilität höher als bisher. Für Marktteilnehmer wird die Fähigkeit, Flexibilität effizient einzusetzen, künftig entscheidend sein – sowohl zur Kostensenkung als auch zur Erschliessung neuer Ertragspotenziale.
Allerdings ist kurzfristig mit steigenden Kosten für Ausgleichsenergie zu rechnen, insbesondere für Marktteilnehmer mit wenig Flexibilität und hohem PV-Anteil. Denn: Prognoseabweichungen werden sich künftig nicht mehr innerhalb grosser Bilanzgruppen ausgleichen lassen. Zudem stellt sich die Frage, ob die die Daten für die Echtzeit-Optimierung in genügend hoher Qualität vorhanden sind und somit die Flexibilität mit dieser Unsicherheit dafür eingesetzt wird, oder beispielweise der finanziell attraktive Systemdienstleistungsmarkt bevorzugt wird.