Drei Jahrzehnte Wärme - eine Erfolgsgeschichte
Anfang der 1990er-Jahre eröffnete sich die AEW mit dem Aufbau von Anlagen für die Wärmeversorgung ein neues Geschäftsfeld. Der erste Wärmeverbund wurde vor 30 Jahren in Möhlin in Betrieb genommen und erzeugte mittels einer Holzschnitzelheizung CO2-freie Wärme.

Daniel Wernli, Leiter Wärmeproduktion
Am 1. Oktober 1994 liefert die AEW zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht Strom, sondern Wärme an ihre Kundschaft. Das Unternehmen hatte kurz zuvor einen Wärmeverbund von der Gemeinde Möhlin übernommen, der mit einer Holzschnitzelheizung im Keller des Schulhauses Obermatt betrieben wurde. Das neu eröffnete Geschäftsfeld stellte die AEW vor Herausforderungen. In den frühen Neunzigern fehlten die Erfahrungen für den Betrieb und Unterhalt einer Holzschnitzelheizung. In der Schweiz waren Fernwärmenetze zwar keine Neuheit – Städte wie Basel und Genf nutzen sie seit Jahrzehnten – auf dem Land war das Prinzip der zentralen Wärmeproduktion damals aber kaum verbreitet, wie Daniel Wernli erläutert. Er leitet heute die Abteilung Wärme bei der AEW.
Strategische Entscheidung
Dennoch war die damalige Geschäftsleitung davon überzeugt, dass Wärmeverbunde an Bedeutung gewinnen würden und deshalb auch wirtschaftlich interessant sein könnten. Der Einstieg in den Wärmemarkt war somit eine strategische Entscheidung: Im Gegensatz zu Stadtwerken, die ihre Kundschaft auch mit Gas und Wasser versorgten, konnte sich die AEW mit der Wärme ein völlig neues Gechäftsfeld erschliessen. Und noch etwas anderes sprach für die Diversifizierung: Für die Wärmeversorgung braucht es komplexe und hochwertige Infrastruktur sowie das Personal und das Fachwissen, die se rund um die Uhr zu betreiben und zu unterhalten. Alles Faktoren, die zu den Kernkompetenzen der AEW als Stromversorgerin zählten.

Adrian Wunderlin und Heinz Collin in der Brauerei Feldschlösschen, deren Abwärme der Wärmeverbund Rheinfelden Mitte nutzt.
Abwärme aus dem Braukeller
Bald zeigte sich, dass man auf das richtige Pferd gesetzt hatte. Bereits vier Jahre später sind neun Wärmeverbunde in Betrieb. Entscheidend für den Erfolg war auch persönliches Engagement: Netzelektriker Adrian Wunderlin begeisterte sich früh für das Thema und gehörte zum ersten WärmeTeam der AEW. In seiner Freizeit tüftelte er an einer elektrifizierten Holzschnitzelanlage und war schliesslich an einem der Leuchtturmprojekte im AEW Portfolio beteiligt: Dem Wärmeverbund Rhein felden Mitte, einer Kooperation der AEW und der Stadt Rheinfelden, in Zusammenarbeit mit der Brauerei Feldschlösschen. Bevor er zur AEW wechselte, war Wunder lin als Industrieelektriker bei der Brauerei Feldschlösschen angestellt. Er wusste, dass beim Bierbrauen viel ungenutzte Abwärme entsteht und brachte die Verant wortlichen an einen Tisch. Seit 2014 nutzt der Wärmeverbund Abwärme aus den Produktionsprozessen der Brauerei und versorgt so über 900 Haushaltungen mit Raumwärme und Warmwasser.
Eindrückliche Erfolgsbilanz
Heute betreibt die AEW 75 Wärmeverbunde und Contractinganlagen für Wärme und Kühlung im Kanton Aargau und den angrenzenden Kantonen. Das Unternehmen gehört damit zu den zehn wichtigsten Wärmelieferanten der Schweiz. Die aktuelle Produktionskapazität beträgt über 230 Gigawattstunden im Jahr (GWh/a), was etwa dem Wärmebedarf der Stadt Aarau entspricht. Über 16 000 Haushalte versorgt die AEW und substituiert so den Ausstoss von rund 55 000 Tonnen CO2 pro Jahr. Denn die AEW setzt grösstenteils auf einheimische Energie träger: Neben Biomasse wie Holzschnitzel oder Pellets wird vor allem Abwärme aus Kläranlagen oder Industrieprozessen sowie Umweltwärme – mehrheitlich in Verbindung mit einer Wärmepumpe – genutzt. Nur knapp acht Prozent der Energie wurden im Jahr 2024 fossil erzeugt. Die Wärmeverbunde der AEW sind dadurch nicht nur nachhaltig, sondern machen Kundinnen und Kunden weniger abhängig von stark schwankenden Energiepreisen. So stieg im Frühjahr 2022 das Interesse an den Wärmeprodukten der AEW stark an, als die Preise für fossile Energieträger durch den Ukraine-Krieg explodierten.
Innovation und Perspektiven
Der langfristige Erfolg ist aber auch dem Umstand zu verdanken, dass die AEW von Anfang an konsequent auf den Wärmebereich gesetzt und entsprechend in Knowhow und Technologie investiert hat. Mit einem Pellet Blockheizkraftwerk in Rheinfelden betrat man 2018 Neuland. «Wir sind stets aktiv auf der Suche nach innovativen Technologien», sagt Wernli. Potenzial ortet er vor allem bei Speicherlösungen, Effizienzmassnahmen, sowie der Weiterentwicklung und optimierten Nutzung der Leit-, Regel- und Überwachungstechnik: «Gerade kopieren wir eine unserer Anlagen und bauen sie als digitalen Zwilling nach. Damit können wir die Anlage auf Effizienz trimmen und prüfen, wo sie an die Belastungsgrenzen kommt, ohne die sichere Versorgung der Kunden zu gefährden.» Ein weiterer Punkt ist der Rohstoffzyklus. Wernli nennt ein Beispiel: «Der Brennstoff Holz ist eine begrenzte Ressource. Wir betreiben deshalb bereits eine Altholzanlage und bauen aktuell eine zweite.» Gerade bei der Holznutzung mache eine Mehrfachverwendung Sinn, sagt Wernli: «Zunächst dient es als Baustoff für ein Haus, dann wird eine Spanplatte daraus oder eine Küchenabdeckung. Erst am Ende seines Nutzungszyklus wird es verbrannt und als Brennstoff genutzt.» Mit Pioniergeist, innovativen Ansätzen und strategischem Weitblick hat die AEW den Wärmemarkt erschlossen. Dreissig erfolgreiche Jahre beweisen, dass Effizienz und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.