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Der Aargau macht sich smart

Alles soll smarter werden – auch Städte und Gemeinden. Durch die Vernetzung von Informations- und Kommunikationssystemen wollen «Smart Citys» ihrer Bevölkerung Lebensqualität in allen Bereichen bieten. Der Kanton Aargau und die Gemeinden setzen einen wichtigen Meilenstein.

Der Aargau macht sich smart

Alles soll smarter werden – auch Städte und Gemeinden. Durch die Vernetzung von Informations- und Kommunikationssystemen wollen «Smart Citys» ihrer Bevölkerung Lebensqualität in allen Bereichen bieten. Der Kanton Aargau und die Gemeinden setzen einen wichtigen Meilenstein.

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Ist vom «Internet der Dinge» (engl. Internet of Things – kurz: IoT) die Rede, denken viele an den «intelligenten» Kühlschrank, der dank Sensoren erkennt, wenn die Milch zur Neige geht und im Onlineshop selbstständig Nachschub ordert. Das mag als Anwendungsbeispiel etwas banal klingen, trifft die Sache aber ganz gut. Tatsächlich ermöglicht das IoT die Interaktion zwischen Mensch, Umwelt und vernetzten elektronischen Systemen. Sensoren sammeln automatisch relevante Informationen aus der realen Welt, senden sie an digitale Systeme, welche die Daten untereinander verknüpfen und je nach Situation automatisierte oder physische Handlungen auslösen. Das Ziel ist immer, Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und individualisierte Lösungen anzubieten.

 

Vielfältige Anwendungen

Das IoT bildet auch die Basis einer Smart City. Dabei geht es jedoch nicht darum, die Bürgerinnen und Bürger daran zu erinnern, Milch zu kaufen. Im Fokus stehen hier vielmehr clevere Mobilitätskonzepte, eine schlanke Verwaltung und eine bürgernahe Politik, aber auch der Umgang mit Umwelteinflüssen und knapper werdenden Ressourcen. In der Stadt Aarau soll das Parkleitsystem digitalisiert werden und in Bremgarten überwachen Sensoren den Füllstand unterirdischer Recycling-Container. So werden die Container erst geleert, wenn sie voll sind. Das alles spart Zeit, Aufwand und damit Geld. Auch im Energiebereich gibt es zahlreiche Anwendungen: Smart Grid-Boxen überwachen die Stromnetze rund um die Uhr und Smart Meter melden den Strom-, Gas- oder Wasserverbrauch automatisch an den jeweiligen Energieversorger.

 

Smarte Vernetzung

Eine Smart City ist allerdings erst dann smart, wenn sie zu einem kooperativen Netzwerk aus Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik wird und die verschiedenen Bereiche des Zusammenlebens miteinander verbindet. Dazu müssen auch Behörden, Ämter und Verwaltung smarter werden: Der Kanton Aargau hat deshalb im März 2022 in Zusammenarbeit mit 167 der insgesamt 200 Aargauer Gemeinden ein digitales Einwohnerportal lanciert. Rund eineinhalb Jahre Vorarbeit stecken in dem Projekt, schätzt Benno Kissling, Leiter der Fachstelle Smart Services Aargau. «Digitalisiert haben wir in einem ersten Schritt erst gut zwanzig von mehreren hundert kommunalen Services», präzisiert er. Aber: Bereits Ende 2023 soll ein Grossteil der Verwaltungsprozesse digitalisiert sein und über das Smart Service Portal abgewickelt werden können. In einer ersten Phase stehen stark nachgefragte Services im Vordergrund, die Fristerstreckung für die Steuererklärung etwa, oder eine digitale Wohnsitzbestätigung. Künftig können auch komplexe Vorgänge wie das Einreichen eines Baugesuchs über einen einzigen digitalen Zugang erledigt werden. «Bisher mussten Baugesuche in mehrfacher Ausfertigung bei den jeweils zuständigen Behörden eingegeben werden», erklärt Kissling. Über das Smart Service Portal können nun alle Beteiligten zentral auf die Unterlagen zugreifen. Aber nicht nur für die Bevölkerung werden die Prozesse vereinfacht. Eine wichtige Funktion des Portals ist die sogenannte Prozessmaschine: Eine Applikation, die es Behörden und Ämtern ermöglicht, im System individuelle Arbeitsabläufe zu implementieren. Eine kleine Gemeinde hat andere Bedürfnisse und Ressourcen als die kantonale Verwaltung, deshalb unterscheiden sich auch die Arbeitsabläufe. Smarte Prozesse garantieren also nicht nur Effizienz und Kundennähe, sondern sorgen aufseiten der Behörden auch für maximale Flexibilität und Skalierbarkeit. So wird die Verwaltung entlastet und kann die vorhandenen Ressourcen gezielt einsetzen. Ziemlich smart.

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Wie funktioniert das Smart Service Portal?

Nutzerinnen und Nutzer können über die Website ihrer Gemeinde oder direkt über www.ag.ch/smartserviceportal auf digitale Dienstleistungen von Kanton und Gemeinden zugreifen. Login und Identifikation erfolgen via SwissID oder mit Benutzername und Passwort. Die bisher 167 involvierten Gemeinden werden ihre Digitalangebote sukzessive von der eigenen Gemeindewebsite auf das Smart Service Portal überführen, wobei die bisherigen Zugangsmöglichkeiten vorläufig bestehen bleiben.

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Peter Morf

«Die Technik ist Mittel zum Zweck»

Dr. Peter Morf hat in Zürich Physik und Umweltwissenschaften studiert. Er ist Technologie- und Innovationsexperte am Hightechzentrum Aarau und berät die Organisatoren der Fachtagung citelligent in Lenzburg.

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Wie definieren Sie eine Smart City?

Eine intelligente Stadt verbindet Menschen auf verschiedene Weise und zu unterschiedlichen Zwecken. Zentral ist das Bewusstsein, dass eine Smart City zwar durch Technik ermöglicht wird, der Fokus jedoch stets auf dem konkreten Nutzen für Mensch und Umwelt liegen muss. Die Technik ist also immer nur Mittel zum Zweck.

Wo sehen Sie den gesellschaftlichen Nutzen einer Smart City?

Eine Smart City ermöglicht es ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, ihre Aktivitäten im Alltag einfacher, vernetzter und zielführender zu gestalten – unabhängig von ihrer Funktion, Aufgabe oder sozialen Stellung. Insofern sollte der gesellschaftliche Nutzen für alle erfahrbar werden.

Welche konkreten Anwendungen sehen Sie im Alltag?

Bei öffentlichen Bauprojekten könnte die Bevölkerung schon früh in die Planung einbezogen werden und ihre Bedenken oder Anregungen platzieren. So vermeidet man später Einsprachen und Verzögerungen. Auch die Mobilität kann effizienter gestaltet werden, wodurch sie nicht nur weniger Platz beansprucht, sondern die Stadt insgesamt entlastet. Die Begleitung von älteren Menschen könnte smart geführt werden, um bei Unfällen und Notsituationen schnell und vor allem richtig zu reagieren.

Welche technische Infrastruktur braucht eine Smart City?

Damit digitale Netzwerke optimal genutzt und die erhobenen Daten stets verfügbar sind, müssen Sensoren und Geräte zuverlässig mit dem Internet verbunden sein. Dazu braucht es ein Long Range Wide Area Network (LoRaWAN). Die Technologie wurde speziell für das IoT entwickelt und ermöglicht das energieeffiziente Senden von Daten über lange Strecken. Sensoren können so bis zu zehn Jahre ohne Batteriewechsel betrieben werden, was den Wartungsaufwand enorm reduziert.

Inwiefern helfen smarte Technologien bei der Energiewende?

Die Energieproduktion der Zukunft wird in der Schweiz von Wasserkraft und Photovoltaik dominiert sein. Während Speicherseen und Pumpspeicherkraftwerke Strom nach Bedarf erzeugen, sind Flusswasserkraft und Photovoltaik abhängig von Wasser- und Sonnenstand. Deshalb ist es nötig und nützlich, den Bedarf und die Speicherung an die Verfügbarkeit anzupassen – hier können smarte Technologien präzise Informationen liefern, damit Energie zielgerichtet und verlustfrei eingesetzt werden kann.

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