Drei Fragen, einer Antwortet - Jonas Jenni
Ein Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) ermöglicht es mehreren Parteien innerhalb einer Liegenschaft, gemeinsam selbst erzeugten Strom – etwa aus einer Solaranlage – zu nutzen, um den Eigenverbrauch zu steigern und Erlöse zu erhöhen. Während ZEV auf einen Netzanschluss beschränkt sind, fördern Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) den Stromaustausch über mehrere Standorte hinweg. Jonas Jenni, Leiter Netznutzungsmanagement bei der AEW, kennt die Details.

Jonas Jenni, ab 2026 sind lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) möglich. Welche Unterschiede gibt es zwischen einer LEG und einem ZEV?
Der wichtigste Unterschied liegt in der Nutzung des Stromnetzes: Bei einer LEG wird das öffentliche Verteilnetz genutzt, um den lokal produzierten Strom zu den Teilnehmenden zu bringen. Dadurch können sich auch Haushalte oder Betriebe aus demselben Gemeindegebiet und Netzgebiet beteiligen – das macht die LEG deutlich offener als einen ZEV oder vZEV. Beim ZEV oder vZEV erfolgt der Stromverbrauch hingegen direkt – ohne das öffentliche Netz zu nutzen. Deshalb entfallen dort die Netznutzungskosten und Abgaben vollständig. In einer LEG wird zwar ein vergünstigter Netzpreis (Abschlag) gewährt, aber die Abgaben bleiben bestehen. Interessant ist auch: Eine oder mehrere ZEV oder vZEV können Teil einer LEG sein. Umgekehrt kann eine LEG jedoch nicht in eine andere LEG eingebunden werden.
Wie funktioniert die Abrechnung innerhalb eines ZEV, vZEV oder einer LEG? Wer ist verantwortlich für die Messung des Stromverbrauchs?
In einem klassischen ZEV werden die Stromzähler in der Regel von den zusammenschliessenden Parteien selbst installiert und betrieben. Bei einem vZEV oder einer LEG ist das anders: Hier übernimmt der lokale Verteilnetzbetreiber – zum Beispiel die AEW – die Strommessung. Ab 2026 gelten dafür spezielle Messtarife, und die dabei entstehenden Kosten müssen an die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) gemeldet werden. Die Abrechnung innerhalb eines ZEV oder vZEV wird vom sogenannten ZEV-Verantwortlichen übernommen. Bei einer LEG kann die LEG-Verantwortliche den Strom, der innerhalb der Gemeinschaft produziert und direkt verbraucht wird, selbst abrechnen. Für den restlichen Strombezug (inklusive Netz- und Abgabenkosten) stellt hingegen der Verteilnetzbetreiber direkt Rechnung an die Kundschaft.
Ist die Verrechnung des Stroms innerhalb des vZEV und der LEG basierend auf den Viertelstundenwerten nicht sehr aufwändig?
Ja, das ist tatsächlich komplex. Ohne die Unterstützung eines professionellen Abrechnungsdienstleisters kann das für die Verantwortlichen sehr aufwändig werden – vor allem bei kleinen Strommengen würde sich das finanziell kaum lohnen. Deshalb wird die AEW ab 2026 die bestehende ZEV-Abrechnung um eine Lösung für «virtuellen Lokalstrom» (also vZEV) erweitern – und auch die LEG-Abrechnung übernehmen. Weil uns als Netzbetreiberin die Messdaten ohnehin vorliegen und wir bei einer LEG den Strom und die Netznutzung direkt verrechnen, ist das ein logischer Schritt. Für typische Fälle bieten wir standardisierte Lösungen an – z. B. wie der Solarstrom im vZEV innerhalb einer LEG aufgeteilt und verrechnet wird.
Wie unterscheidet sich ein virtueller ZEV (vZEV) von einem klassischen ZEV und welche Vorteile bietet er?
Im Unterschied zum klassischen ZEV darf beim vZEV ein Teil des öffentlichen Stromnetzes – konkret: die Anschlussleitung bis zum Netzanschlusspunkt sowie ein kleines Stück des Verteilnetzes – mitgenutzt werden. Damit das technisch funktioniert, braucht es Smart Meter. Im System wird ein sogenannter „virtueller Zählpunkt“ eingerichtet – also kein physischer Stromzähler, sondern eine Messstelle, welche die Stromflüsse zwischen den Teilnehmern berechnet. Der Verantwortliche des vZEV erhält eine Rechnung für diesen virtuellen Zählpunkt sowie die Messdaten aller Teilnehmer im Viertelstundentakt, um damit die interne Stromabrechnung durchzuführen.
Was sind die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung eines vZEV?
Die Gründung und Verwaltung eines vZEV ist mit Aufwänden verbunden. Es braucht in jedem Fall eine individuelle Abklärung der Voraussetzungen und Systeme mit hoher Datenqualität. Die grösste Herausforderung besteht darin, dass verschiedene Datenquellen korrekt zusammenspielen: Kundendaten, Anlagendaten und Abrechnungsinformationen, Angaben zur Leitungsführung und Netzanschlüssen aus dem Geoinformationssystem, sowie die Messdaten im Energiedatenmanagementsystem.
Wie funktioniert der Rabatt auf die Netznutzung bei einer LEG – und wie hoch ist er?
Der Rabatt hängt davon ab, wie viel vom öffentlichen Netz genutzt wird: Wenn nur die Niederspannungsebene genutzt wird, gibt es 40 % Rabatt auf die Netznutzung. Wenn auch die Transformationsebene genutzt wird, sind es 20 %. Der Rabatt gilt für die Netznutzung und ist relevant für die Strommenge, die innerhalb der LEG erzeugt und direkt verbraucht wird. Für die Wirtschaftlichkeit ist also entscheidend, dass möglichst viel Strom lokal in der LEG genutzt wird – ohne dass dieser über das weitere Netz transportiert werden muss.
Müssen alle Bewohner oder Firmen in einem Gebäude einem ZEV oder vZEV beitreten – oder gibt es Wahlfreiheit?
Grundsätzlich ist die Teilnahme freiwillig. Allerdings kann in einem Mietvertrag festgelegt sein, dass die Teilnahme am ZEV Voraussetzung für das Mietverhältnis ist. Bei einem vZEV ist auch ein Ein- oder Austritt möglich, da die Strommengen rechnerisch auf Basis der Smart-Meter-Daten erfasst werden.
Wird das Verteilnetz durch LEGs tatsächlich weniger stark beansprucht, sodass der Netznutzungsrabatt gerechtfertigt ist? Und was passiert, falls dieser Effekt ausbleibt?
Eine LEG soll grundsätzlich dazu beitragen, dass mehr Strom vor Ort verbraucht wird. Wenn das gelingt, kann der Bedarf an Netzausbau tatsächlich sinken – was langfristig Kosten spart. Das Verteilnetz wird allerdings immer so geplant, dass es die maximale Stromnachfrage abdecken kann – meist im Winter. Wenn sich diese Spitzenlast durch die LEG nicht verringert, werden die Netzkosten auf alle Kundinnen und Kunden verteilt – also auf jene, die keinen LEG-Rabatt erhalten.
Glossar:
ZEV = Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
vZEV = virtueller Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
LEG = Lokale Elektrizitätsgemeinschaft